- 27. Juli 2020
3D-Drucke als digitales Gemeinschaftsprojekt entwerfen
Projekt DigiKAM entwickelt Plattform für additive Fertigung.
Schnell ein Ersatzteil nachdrucken oder ein kundenindividuelles Bauteil kostengünstig fertigen: Die Technologie Additive Manufacturing oder 3D-Druck bietet der Industrie viele Möglichkeiten, etwa für effektivere Prozesse oder neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsstrukturen. Damit auch mittelständische Unternehmen ohne eigenes Expertenwissen im 3D-Druck davon profitieren, hat das Forschungsprojekt DigiKAM (Digitales Kollaborationsnetzwerk zur Erschließung von Additive Manufacturing) eine Plattform für die Zusammenarbeit von Technologieexperten und Anwendern aus der Industrie konzipiert. Gefördert wurde es dafür vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit rund 2 Mio. Euro. In Zeiten der Corona-Pandemie zeigen die Projektergebnisse auch Lösungen für ein virtuelles, zuliefererunabhängiges Arbeiten auf.
Der Fokus der
DigiKAM-Plattform liegt auf der Entwicklungsphase von 3D-Bauteilen. „Additive
Fertigung bietet großes Potenzial in der industriellen Anwendung, setzt aber
umfassendes Technologiewissen voraus. Speziell kleine und mittlere Unternehmen
sind auf die Kooperation mit Experten angewiesen. Die DigiKAM-Plattform soll
dies ermöglichen und durch den Einsatz innovativer 3D-Technologien eine
effiziente kollaborative Bauteil-Entwicklung auch über Distanzen hinweg
unterstützen“, erläutert Daniel Eckertz (Gruppenleiter am Fraunhofer IEM) die
Motivation des Projektes. „Unser Anwendungspartner Remmert GmbH könnte seine
Lagersysteme durch 3D-gedruckte Elemente kundenspezifisch gestalten,
beispielsweise durch individuell angepasste ergonomische Griffe. Über die DigiKAM-Plattform
könnte er den passenden Entwicklungspartner dazu finden und mit ihm
zusammenarbeiten.“ Für die anschließende Fertigung der additiv gedruckten
Bauteile setzt die DigiKAM-Plattform auf die Kooperation mit weiteren Projekten
und Anbietern.
Kollaboration im Entwicklungsprozess
Die DigiKAM-Plattform
fördert die Vernetzung und Zusammenarbeit von Technologie-Anbietern und
Experten auf der einen und Anwendern von 3D-gedruckten Bauteilen auf der
anderen Seite. Dabei greifen verschiedene Bausteine ineinander und ermöglichen
eine effiziente digitale Kollaboration der einzelnen Akteure.
- Referenzprozess für die Produktentwicklung 3D-gedruckter Bauteile
Von der Anforderungserhebung über den Bauteil-Entwurf hin zur finalen Abnahme durch den Kunden – der Entwicklungsprozess 3D-gedruckter Bauteile besteht aus vielen Prozessschritten. Die Plattform bildet ihn digital ab und führt die Akteure automatisch durch die einzelnen Stufen. Auch ein effizienter Informations- und Dokumentenaustausch wird ermöglicht.
- Kommunikationstool für digitale und verteilte Zusammenarbeit
Die Plattform nutzt das Tool Unify Circuit, um die digitale Kommunikation zwischen Interessenten bzw. potenziellen Anwendern 3D-gedruckter Bauteile und Experten bzw. Anbietern der Technologie in Form von Audio- und Videokonferenzen zu ermöglichen. Alle Daten sind durch hohe Sicherheitsstandards und ein umfangreiches Zugriffsmanagement abgesichert.
- 3D-Technologien für die digitale
Kollaboration
Mittels 3D-Scanning lassen sich reale Objekte erfassen und digitalisieren, um
sie später im 3D-Druck zu reproduzieren. Auch die Umgebung eines Bauteils kann
erfasst und bei der Entwicklung einbezogen werden, zum Beispiel um maximale
Bauraumgrößen zu bestimmen. Die Technologie Augmented Reality dient dabei der
interaktiven Visualisierung und Validierung von Konstruktionsdaten.
Entwicklerteams können das spätere Produkt auch ohne physikalische Prototypen
realitätsnah erleben, prüfen und mit den späteren Anwendern abstimmen. Der
Einsatz der Technologien ermöglicht eine effiziente Zusammenarbeit auch über
Distanzen hinweg, spart Reisezeit und Kosten und beschleunigt so den
Entwicklungsprozess.
Chance für den Mittelstand
Kleine und mittlere Unternehmen haben mit
der DigiKAM-Plattform die Möglichkeit, 3D-Bauteile auch ohne eigenes
Technologie-Know-how und umfangreiches Wissen zum Produktentstehungsprozess zu
entwickeln. Je nach Bedarf und Anwendungsfall können sie mit
Entwicklungspartnern kooperieren und dafür auf die Werkzeuge der
Kollaborationsplattform zugreifen. Ein zusätzliches Schulungs- und
Beratungsangebot im Bereich Additive Manufacturing ermöglicht kleineren Betrieben
darüber hinaus auch den langfristigen Aufbau von eigenem Wissen.
Einsatz der DigiKAM-Plattform: Interessante Ergebnisse in Corona-Zeiten
Bereits im November 2019 führte das
Projektkonsortium auf der Fachmesse formnext erste Tests und Evaluierungen durch.
Besonders das Feedback potenzieller Plattformnutzer konnte auf diese Weise in
der finalen Ausarbeitung berücksichtigt werden. Derzeit machen die
Industriepartner Miele und Remmert den Praxistest anhand konkreter
Anwendungsfälle: Miele testet die Entwicklung von 3D-gedruckten Ersatzteilen
für seine Hausgeräte und Remmert konzipiert passgenaue und kundenindividuelle
additiv gefertigte Gitternetzstrukturen für Greifer und Handlingsysteme im
Bereich Logistik.
Nicht nur in
Zeiten der Corona-Pandemie zeigen sich die Stärken sowohl der Technologie
Additive Manufacturing als auch der DigiKAM-Plattform: Persönliche Treffen sind
nicht zwingend notwendig. So können Betriebe auch in Zukunft Reisekosten und
Aufwände sparen und ihre Entwicklung effizienter gestalten. Die Flexibilität
der Fertigungstechnologie bietet zudem eine schnelle Lösung für zusammenbrechende
Lieferketten. Da Konstruktionsdaten für konventionelle Fertigungsverfahren
nicht 1:1 auf die additive Fertigung übertragbar sind, bietet die
DigiKAM-Plattform die ideale Umgebung für eine passgenaue Entwicklung.
Partner und
Förderung von DigiKAM
Das DigiKAM-Konsortiumbestehendaus einem
Forschungsinstitut (Fraunhofer IEM), einem IT-Dienstleister (Atos), einem
Entwicklungs- und Fertigungspartner (Krause DiMaTec) sowie Anwendern der
Technologie Additive Manufacturing (Miele und Remmert) bildet die gesamte
Innovationskette für die Entwicklung additiv gefertigter Bauteile ab. Gefördert
wurde das Projekt DigiKAM von 2017 bis 2020 vom Bundesministerium für Wirtschaft
und Energie BMWi im Programm PAiCE “Platforms | Additive Manufacturing | Imaging |
Communication | Engineering – Digitale Technologien für die Wirtschaft”.
Foto: Fraunhofer IEM